Den Klang zu lieben
Hans Niessen
Schule: Wir sagen: „die Schule“, so wie ich auf meinen Körper zeige und „Ich“ zu ihm sage – als wäre er mein Ich.
So gleich muss ich an unsere vielen Kinder, Jugendlichen denken, Eltern, Lehrer, Ehemaligen, Verstorbenen, Hausmeister, Handwerker, Postboten… Welche Sinfonie von Schicksalen! Was die so alles machen und denken und vorhaben? Und deren Schutzengel? Alles dies ragt in unsere Schule hinein, gehört dazu. Der Schulbau sammelt Körper in seinem Körper, natürlich auch unsere Seelengesten fürs Lernen, lebenswürdiges Lernen hauptsächlich, im Hinblick auf Lebenskunst.
Das Zusammenspiel dieses „Vielen“ hat einen ganz besonderen Klang.
Hausbauen: Mit dem Planen wurden mächtige Formkräfte aufgerufen. Danach war ein gewaltiger Lärm mit dem Bauen verbunden: das Dröhnen der Dieselmotoren, Kreischen der Sägen, Presslufthämmer… bis das Haus endlich stand – stumm – Formkräfte wirkten bis zur Verfestigung. Der Bau steht da wie ein Akkord.
Und davor: welch Maschinengedröhn, Lavahitze wandelte das Erz zu Eisenstangen, Sand und Lehm zu Ziegeln, Kalkstein zu Zement! Still dagegen das Wachsen des Holzes, des Lebendigen.
Und davor? Und wieder davor? Was ist wie geflossen, kristallisiert, aufgetürmt, zerrieben? In Vibrationen, Klängen, Tönen? Was war im „Urbeginne“? Es wird ganz still bei dieser Fragestellung.
Das Haus klingt: (sehr lebendig) Unsere Seelen wollen bewegen, sprechen, scherzen, spielen, weinen, singen, erinnern, weiterdenken – im Zusammenspiel mit Räumen. Man atmet, bewegt sich unterschiedlich in verschiedenen Räumen, fühlt deren Proportionen. Kleine Kinder probieren immer den Klang der Räume aus, lautstark. Denn das Ohr will wissen wie alles ist, auch ohne Augen. In den Ferien erholt sich der Bau vom Getöse der vielen Menschen.
Er lauscht nach.
Klang, Ton, Musik: Der Raum gibt Hülle für den Klang. Nur durch Klang können Töne materiell „er-scheinen“, deshalb „er-klingen“. Ein gleicher Ton kann viele Klangkleider und – Farben tragen, z.B. von verschiedenen Instrumenten und eben auch in verschiedenen Räumen. Manche haben „bessere Akustik“, sagen wir. Mit dem Geräuschhaften bis hin zum möglichst reinen, leuchtenden Klang verbinden die Töne sich. Töne selber sind das Innerste, Ichartigste im Erklingen. Durch sie wollen besondere Formkräfte tätig werden. Tonordnungen, Beziehungen entstehen, außerdem Rhythmen, Pausen, Geschwindigkeiten. Spiele ich mit Bewusstsein, den Raum mit einbeziehend und es gelingt, das Hören zu erweitern, dann entsteht das ganz frische „Neue“ im Jetzt – Musik, ein Ereignis – „Event“. Hiermit gebe ich zugleich etwas zurück vom großen Geschenk im „Urbeginne“.
Danke: Es sollte eine CD, nicht eine DVD werden. Hörend eintauchen musste genug sein für Viz Michael Kremietz und Jörg Holik. Es begann ein Prozess, freundschaftlich, beglückend, der zu klanglich-musikalischen Momenten führte, die sich ins größere Werk einfügen sollten. Meinen herzlichsten Dank an die Beiden!